Zu Drewes, Jüdischer Adel, S. 44 mit Anm. 32
Die hauptsächliche Erwähnung des Industriellen Emil Rathenau im völkisch-antisemitischen Semi-Gotha, auf den sich die Rezension in den Grenzboten bezieht, findet sich in Bd. 1 von 1912 auf S. 491. [mehr]
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Zu Drewes, Jüdischer Adel, S. 67–69
1. Erst nach Abschluss des Manuskripts las ich, dass auf die sich um 1990 ändernden Motive der westdeutschen Bürgertumsforschung bereits Hannes Siegrist 1994 kurz hingewiesen hat:
»Das Interesse an der Bürgerlichkeitsproblematik ist nicht bloß durch innerwissenschaftliche Faktoren begründet, vielmehr ist es stehts auch politisch motiviert. Zunächst stand in Westdeutschland die Sonderwegsthese im Vordergrund; es galt, die besondere Schwäche des Bürgertums, der bürgerlichen Gesellschaft und der Bürgerlichkeit in Deutschland zu erklären. In jüngster Zeit stimulieren vor allem die aktuellen politisch-gesellschaftlichen Umwälzungen in den nachsozialistischen Übergangsgesellschaften ein allgemeineres Interesse an der Bürgerlichkeitsproblematik, das sich nicht nur auf die Problematik der Zivil- oder Bürgergesellschaft bezieht. Gefragt wird auch nach den noch vorhandenen oder wiederzubelebenden bürgerlichen Traditionen und nach den Trägerschichten einer früheren oder aktuellen Verbürgerlichung.« [1]
Was ich mich nur weiterhin frage, ist, ob die (und seien sie noch so zaghaften) Anfänge der beschriebenen Verschiebung nicht bereits in den 1980er Jahren liegen, als in Bielefeld (wie auch in Frankfurt) das Design für Bürgertumsforschung in großem Stil entwickelt wurde. Fand doch in der alten Bundesrepublik mit der Zeit »parallel zur Liberalisierung des Konservatismus« eine »liberale[ ] Durchdringung der Sozialdemokratie« statt, wie Jens Hacke mit Blick auf prominente Geistes- und Sozialwissenschaftler feststellt. [2]
Die Bedeutung des Umbruchs seit 1989/90 dürfte aber außer Frage stehen, so im Hinblick auf Jürgen Kockas intensive Auseinandersetzung mit den Entwicklungen in Mittel- und Osteuropa und sein auf Gegenwart wie Vergangenheit bezogenes Konzept der Zivilgesellschaft.
2. Ich stimme der Kritik von Gabriele Clemens [3] zu: In jüngerer Zeit ist es zu einer unguten Verengung des Forschungsblicks auf bürgerliche ‚Heldentaten‘ der Kaiserzeit gekommen. Dies hat zur Folge, dass etwa Mäzenatentum und Vereinswesen um 1900 mittlerweile als durch und durch bürgerliche Domänen gelten – zu Unrecht. Auch mein Eindruck ist, dass es im Kaiserreich weit mehr Berührungspunkte zwischen Bürgerlichen und Adligen gab, als die Forschung heute oft annimmt.
3. Was die Historisierung (und Selbsthistorisierung) der Bielefelder Schule der Geschichtswissenschaft betrifft, ist neben dem Beitrag von Frank Becker selbstverständlich auch der von Valentin Groebner im selben Sammelband Was war Bielefeld? von 2009 zu nennen. [4]
[1] Hannes Siegrist, Ende der Bürgerlichkeit? Die Kategorien »Bürgertum« und »Bürgerlichkeit« in der westdeutschen Gesellschaft und Geschichtswissenschaft der Nachkriegsperiode, in: Geschichte und Gesellschaft, Bd. 20 (1994), S. 549–583, hier S. 550.
[2] Jens Hacke, Philosophie der Bürgerlichkeit. Die liberalkonservative Begründung der Bundesrepublik (= Bürgertum, Neue Folge, Bd. 3), Göttingen 2006, S. 20.
[3] Zum Folgenden siehe Gabriele B. Clemens, Im Prokrustesbett der Bürgertumsforschung. Drei neue Arbeiten zum bürgerlichen Mäzenatentum?, in: Rheinische Vierteljahrsblätter, Bd. 69 (2005), S. 283–291; dies., Auf Biegen und Brechen: bürgerliches Mäzenatentum im urbanen Kontext des 19. Jahrhunderts, in: Informationen zur modernen Stadtgeschichte, Bd. 2 (2008), S. 71–78. Clemens regt an, auch für den deutschen Fall in der Rückschau von einer Notabelngesellschaft zu sprechen, statt krampfhaft Bürgertum und Adel analytisch voneinander zu scheiden; ein Vorschlag, der diskutiert zu werden verdient.
[4] Valentin Groebner, Theoriegesättigt. Ankommen in Bielefeld 1989, in: Sonja Asal/Stephak Schlak (Hgg.), Was war Bielefeld? Eine ideengeschichtliche Nachfrage (= Marbacher Schriften, N. F., Bd. 4), Göttingen 2009, S. 179–189.
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Zu Drewes, Jüdischer Adel, S. 77, Anm. 163
Der im Ersten Weltkrieg zu Bekanntheit gelangte deutsche Jagdflieger jüdischer Herkunft Wilhelm Frankl (1893–1917) ließ sich schon 1913, nicht erst 1914 taufen. Siehe dazu Sönke Clasen, Wilhelm Frankl – seine Taufe erfolgte bereits 1913, in: Zeitschrift für Niederdeutsche Familienkunde, Bd. 93 (2018), S. 355f.