Meyerbeer-Karikatur

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Karikatur »Giacomo am Rubicon« im Kladderadatsch (1860): Giacomo Meyerbeer (der bereits 1854 einen württembergischen Adelstitel erhalten hatte, aber nicht führte) müsse sich angeblich zwischen seinem Judentum und einem Adelstitel entscheiden. Siehe dazu Drewes, Jüdischer Adel, 2013, S. 206.

Bildunterschrift: »Laß’ ich mich taufen, entgeht mir des Oheims reichliche Erb­schaft; | Laß’ ich mich nicht – umsonst winkt mir das Adelsdiplom.« — Beschriftung des links dargestellten Blatts: »Testament | 20,000 Th[a]l[e]r | Rente | aber nicht taufen« — Beschriftung des rechts dargestellten Blatts: »Adels | Diplom«

Die Karikatur erschien im Kladderadatsch vom 5. Februar 1860, S. 24 (vgl. das Digitalisat in Google Buchsuche). Bereits in der vorhergehenden Ausgabe vom 29. Januar 1860 war auf S. 19 auf das Gerücht einer möglicherweise bevorstehenden Adelsverleihung Bezug genommen worden.

Adelswappen im Frontispiz von
Band 4 der Jewish Encyclopedia (1904)

wappen-juedischer-adelsfamilien

Zuordnung der Wappen:
1. Sassoon — 2. Hirsch — 3. Montefiore
4. Lopes–Suasso–da Fonscca — 5. Rothschild — 6. Pimentel
7. Teixeira — 8. Da Costa — 9. Salvador

Abgebildet sind neun Wappen jüdischer Adelsfamilien. Die Farbtafel bezieht sich auf den Artikel über Wappen (»Coat of Arms«) von H. Guttenstein und Joseph Jacobs im selben Band (S. 125–132, auch online unter http://www.jewishencyclopedia.com/articles/4428-coat-of-arms). In meinem Buch erwähne ich die Abbildung auf S. 366f.

Dass das jüdische Lexikon der damaligen Zeit die Wappen adliger Familien so prominent und prächtig darstellte, zeigt, als wie selbstverständlich und berichtenswert jüdische Forscher um die Jahrhundertwende das Vorhandensein geadelter jüdischer Familien ansahen. [1] Die 12-bändige Jewish Encyclopledia (erschienen 1901–06) war im Übrigen ein wahrhaft transnationales und -kontinentales Gemeinschaftswerk, das sich allerdings wesentlich auf die Arbeit der deutschsprachigen Wissenschaft des Judentums stützte.

[1] Der Mitautor Joseph Jacobs legte zeitnah auch eine Gebrauchsanweisung für das Lexikon vor, zu dessen maßgeblichen Herausgebern er gehörte. Darin heißt es über seinen eigenen Wappen-Beitrag nicht ganz unbescheiden, aber wohl mit Recht, dieser sei »one of the most elaborate articles […], where for the first time the arms granted by European heralds to persons of Jewish birth have been brought together, making a remarkable show. From this list, and from other articles in the Encylopedia it is possible to draw up the following list of Jewish persons having hereditary titles: […]« (Joseph Jacobs, The Jewish Encyclopedia. A Guide to Its Contents, An Aid to Its Use, New York etc. 1906 [auch online unter https://archive.org/details/jewishencycloped00jacouoft], S. 112). Es folgt eine alphabetische Aufstellung mit über 60 Namen jüdischer Adelsfamilien (ebd., S. 112f.).

Grabstätte von Frankfurter

Das Grabmal der Familie von Frankfurter, entstanden in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts, ist typisch für die vergleichsweise kleine Gruppe mit prächtigen Mausoleen und Gräbern in der riesigen alten jüdischen Abteilung des Wiener Zentralfriedhofs (nahe Tor 1). Die Inschrift ist deutsch und hebräisch, gekrönt ist das Grab vom Familienwappen. Die früher fünfzackige Krone verweist auf den (niedrigsten) Adelsrang.

grabstaette-vonfrankfurter.jpg Begrabene Personen laut Inschrift: Samuel Ritter von Frankfurter (1860–1888, Selbstmord), Bankier in Wien, und seine Eltern Wilhelm (seit 1874 Ritter von) Frankfurter (1834–1898), Eisenbahnbauunternehmer ebd., und Jeanette geb. Singer (1837–1900)

Foto: Kai Drewes (2007)

Gutfeld

Konfession: jüdisch

Adelstitel: 1900 österreichischer Adelsstand (mit dem Ehrenwort „Edler von“) für Jakob Gutfeld (1848–?), Schraubenfabrikant in Berlin

Gutfeld, Ingenieur und Inhaber der Schraubenfabrik Erdmann & Groß in Berlin und Sekretär des österreichisch-ungarischen Hilfsvereins ebd., stammte aus Mähren und blieb nach seiner Übersiedlung nach Deutschland vermutlich österreichischer Staatsbürger (sein Sohn wurde 1909 bei seiner Immatrikulation an der Universität Rostock freilich als Preuße bezeichnet!). Seine Frau Bettina geb. Burchardt (Lebensdaten unbekannt), die er 1886 heiratete, war Tochter des Tapetenfabrikanten Adolf (ursprünglich: Abraham) Burchardt in Berlin – sicherlich ein Bruder des Tapetenfabrikanten Hermann Burchardt ebd., der sich ein portugiesisches Baronat verleihen ließ.
Bekannte Kinder des Adelserwerbers: Fritz (Edler) von Gutfeld (1888–1947), Bakteriologe in Berlin und zuletzt in den USA, und Henriette (Edle) von Gutfeld (1896–?).

Literatur: Peter Frank-Döfering (Hg.), Adelslexikon des österreichischen Kaisertums 1804–1918, Wien etc. 1989, S. 322; Adelslexikon, Bd. 4 (= Genealogisches Handbuch des Adels, Bd. 67), Limburg a. d. Lahn 1978, S. 338; Genealogisches Taschenbuch der adeligen Häuser Österreichs, Bd. 2 (1906/07), S. 130 f.; Drewes, Jüdischer Adel, 2013, bsds. S. 92 f. –– Über Fritz von Gutfeld siehe die biographischen Informationen in der Datenbank Verfolgte Ärztinnen und Ärzte des Berliner Städtischen Gesundheitswesens (19331945) unter https://geschichte.charite.de/verfolgte-aerzte/biografie.php?&ID=80.

Burchardt

Konfession: jüdisch

Adelstitel: 1878 portugiesisches Baronat [nicht erblich] für Hermann (ursprünglich: Hirsch) Burchardt (1820–1904), Tapetenfabrikant, dann Rentier in Berlin; beantragte Genehmigung zur Führung des Titels in Preußen abgelehnt

Hermann Buchardt stammte aus Sonnenburg (bei Zielenzig). Sein ältester Sohn war Martin Burchardt (1848–?), Tapetenfabrikant und um 1900 Konsul von Haiti in Berlin, sein Bruder sicherlich Adolf (ursprünglich: Abraham) Burchardt, ebenfalls Tapetenfabrikant in Berlin und Schwiegervater des Schraubenfabrikanten Jakob (Edler von) Gutfeld ebd. Hermanns zweiter Sohn, der Berliner Fabrikant Edgard Burchardt (1849–1933), heiratete 1875 in Budapest Camilla Goldberger de Buda (1849–1930) aus der bekannten ungarisch-jüdischen Adelsfamilie, Tochter von Sigmund Goldberger de Buda und Laura Schossberger de Tornya.

Literatur: Francisco de Vasconcelos, A Nobreza do século XIX em Portugal (= Colecção Estudos de Genealogia, Heráldica e História da Família, Bd. 14), Porto 2003, S. 194; Drewes, Jüdischer Adel, 2013, bsds. S. 89f., 93 (dort Anm. 224), 123f. und 333f. — Zu Burchardt und seiner Familie siehe auch: Jacob Jacobson (Hg.), Die Judenbürgerbücher der Stadt Berlin 1809–1851. Mit Ergän­zungen für die Jahre 1791–1809 (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, Bd. 4), Berlin 1962, S. 490; Giacomo Meyerbeer, Briefwechsel und Tage­bücher, Bd. 8 (2006): 1860–1864, S. 702; Georg Gaugusch, Wer einmal war. Das jüdische Großbürgertum Wiens 1800–1938 (= Jahrbuch der Heraldisch-Genealogischen Gesellschaft »Adler«, 3. F., Bd. 16), Bd. 1, Wien 2011, S. 897f.; Marina Sandig, Sie glaubten Deutsche zu sein. Martha Liebermann-Marckwald. Eine Familiengeschiche zwischen preußisch-jüdischer Herkunft und Shoah (= Deutsches Familienarchiv. Ein genealogisches Sammelwerk, Bd. 155), Insingen 2012, S. 335 und öfter

Internetressource: Abbildung des offiziellen Ablehnungsschreibens der preußischen Regierung vom 28. April 1879 als Antwort auf Burchardts Gesuch um Anerkennung des Adelstitels in der Objektdatenbank des Jüdischen Museums Berlin

Löwenstein (Frankfurt)

Konfession: jüdisch

Adelstitel: 1893 portugiesisches Baronat (auf Lebenszeit) für Ludwig Adolf Löwenstein (1845–1907) [1], Juwelier und persischer Generalkonsul in Frankfurt am Main; Titel in Großbritannien nicht anerkannt; 1899 portugiesisches Baronat (auf Lebenszeit) für die Tochter des vorigen, Anna Wilhelmine Flora Löwenstein (1881–?)

Der Adelserwerber war längere Zeit in London ansässig gewesen, ehe er nach Frankfurt remigrierte, und hatte 1867 die britische Staatsbürgerschaft erworben. Er war ein Sohn von Abraham und Neffe von Marcus Löwenstein (Söhne von Feist Löwenstein in Langendiebach), die 1849 in Frankfurt auf der Zeil die Firma Gebrüder Löwenstein gründeten, eine Kunst-, Antiquitäten- und Juwelenhandlung. Siegfried Adolf Löwenstein, mexikanischer Generalkonsul in Frankfurt, war ein Bruder des Barons, ihr Bruder oder Cousin war sicherlich Leopold Adolph Lowenstein, 1852 in Frankfurt geboren und Diamantenhändler in London.

Die Tochter des späteren Barons wurde 1881 in Frankfurt geboren [2] und heiratete dort 1902 als »Baronesse Anna Wilhelmine Flora von Löwenstein« Adam Heinrich Pajonk (1875–?), Kaufmann in Berlin und wie sie jüdischen Glaubens. [3] Über ihr weiteres Leben ist bislang nichts bekannt.

Literatur: Alexander Dietz, Stammbuch der Frankfurter Juden. Geschichtliche Mitteilungen über die Frankfurter jüdischen Familien von 1349–1849 nebst einem Plane der Judengasse, Frankfurt/M. 1907, S. 188 u. 399; Nobreza de Portugal, Bd. 3, Lissabon 1961, S. 555; Francisco de Vasconcelos, A Nobreza do século XIX em Portugal (= Colecção Estudos de Genealogia, Heráldica e História da Família, Bd. 14), Porto 2003, S. 222; Kai Drewes, Jüdischer Adel, 2013, bsds. S. 320–323

[1] Digitalisat des Geburtseintrags (mit späteren handschriftlichen Ergänzungen) aus dem Geburtsregister der Evangelischen Kirche (!) in Frankfurt am Main für 1845 unter https://www.ancestry.de/interactive/61131/0341769-00367 (kostenpflichtig). Demnach war er das zweite Kind seiner Eltern, die 1844 geheiratet hatten, seine Mutter hieß Julie geb. Weinheimer, er selbst heiratete 1880 [seine Frau hieß Helene Clotilde geb. Schwarzschild und starb nach 1902], und seit 1849 (zusammen mit den Eltern) und bis 1867 gehörte er dem »hiesigen Bürgerverband« an.

[2] Digitalisat des Geburtseintrags im Standesamtsregister unter https://www.ancestry.de/interactive/61117/47108_b300296-00300 (kostenpflichtig). Darin die handschriftliche Ergänzung von 1902: »Auf Grund schriftlichen Antrags und beigefügter beglaubigter Uebersetzung eines Adelsbriefes wird vermerkt, daß von Seiner Majestät dem König von Portugal durch Entschließung vom 12. Januar 1893 dem nebenbezeichneten Kaufmann Ludwig Adolf Löwenstein der Titel Baron von Löwenstein auf Lebenszeit auf Lebenszeit [sic] verliehen worden ist, und daß von Seiner Majestät durch Entschließung vom 19. Mai 1899 dem nebenbezeichneten Kinde Anna Wilhelmine Flora Löwenstein auf Lebenszeit gestattet worden ist, des Titels Baronesse von Löwenstein sich zu bedienen.«

[3] Digitalisat des Heiratseintrags im Standesamtsregister unter https://www.ancestry.de/interactive/61118/47107_B302597-00348 (kostenpflichtig). Für den Hinweis danke ich Silke Lehsten.